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Tenside

Metal lebt, verdammt noch mal. Ein Urschrei, erstmals ausgestoßen vor 50 Jahren und wie jedes andere Lebewesen auf diesem Planeten der steten Evolution unterworfen. Warum zum Geier spielt dann plötzlich jeder nur noch das, was irgendwer irgendwann mal vorgemacht hat? Auch die Modern-Metal-Institution TENSIDE erdreistet sich nicht, Antworten auf diese Fragen zu haben. Die Band weigert sich auf ihrem siebten Album „Glamour & Gloom“ aber immerhin standhaft, Schema F zum Bandmantra zu erklären.

TENSIDE spielen schon seit einigen Jahren so erfrischend, kompromisslos und trendbefreit, dass es eine Freude ist, ihnen zuzuhören. Jetzt haben sie noch mal eine Schippe draufgepackt. An Skills, aber auch an Eigenständigkeit. „Wir wollen kein Metalcore sein“, lautet dann auch die klare Ansage von Frontmann und Sänger Daniel Kuhlemann. „Uns ist es wichtiger, unseren eigenen Sound zu etablieren und zu verbessern.“ Tatsache: „Glamour & Gloom“ ist modern und hart, hat dennoch nicht viel mit typischem Metalcore zu tun – und schon gar nichts mit dem verzweifelten Versuch, altmodischen Angewohnheiten freshe Klamotten anzuziehen. TENSIDE verpassen dem Heavy Metal ein Upgrade, ein bionisches Facelifting, kurz: einen ordentlichen Tritt in den Hintern, der die harte Musik direkt hinein ins 21. Jahrhundert katapultiert.

Die Schule aller harten Dinge haben TENSIDE natürlich ebenso durchlaufen wie jede andere Band, die im Zeichen von Riffs, Rumms und Rabatz unterwegs ist. Und mittlerweile mit den meisten von ihnen die Bühne geteilt – unter anderem Bad Wolves, Trivium, zuletzt Killswitch Engage. Deutlich mehr noch als der Vorgänger steht „Glamour & Gloom“ nämlich für eine dezidiert eigene Note, die man ab sofort einfach als TENSIDE abspeichern wird. Hunderte Live-Shows zwischen verschwitzten kleinen Clubs und den größten Metal-Festivals Europas und Asiens haben natürlich auch ihren Anteil daran. Mit dem bislang stärksten Line-Up der 15-jährigen Geschichte wurde der massiv drückende Live-Sound der Band erstmals deckungsgleich im Studio eingefangen – ein Mitverdienst auch von Produzent Christoph von Freydorf (Emil Bulls). „Losgelegt mit den neuen Songs haben wir im Oktober 2018, im Januar 2019 zogen wir uns mit Christoph wochenlang in ein abgelegenes Haus bei Saarbrücken zurück, um ohne jede Ablenkung die Vorproduktion anzugehen. Ohne Internet, ohne Kontakt zur Außenwelt.“ Danach war die Arbeit natürlich noch nicht getan: Im bandeigenen Studio arbeitete man weiter wie besessen an den Stücken. Solange eben, bis alle vollauf zufrieden waren.

Wie eingespielt das Team TENSIDE mittlerweile ist, erzählt jeder einzelne Song des Albums. Geprägt von jenen Zeiten „zwischen Glanz und Elend“, in denen wir leben, erforschen TENSIDE zwar auch die dunklen Abgründe des Lebens; sie sehen es aber nicht ein, kampflos aufzugeben. Das bittere „Cannibals“ hält uns allen mit bleiernen Riffs unsere Gleichgültigkeit wie einen Spiegel vor, „The Last Anthem“ ist ein furioser, wild entschlossener Einmarschsong, „As Above So Below“ knallt uns als Hymne der Rebellion ordentlich Blei vor den Bug, im triumphalen Ohrwurm „Along With The Gods“ lassen TENSIDE die Liebe doch tatsächlich über den Hass siegen.

„All Black Everything“ schließlich ist das mit Abstand düsterste und heftigste Stück Musik, das die Band je geschrieben hat. „Mir wurde das Tagebuch einer mir nahestehenden Person vermacht, die Selbstmord begangen hatte. Dieser Song verarbeitet die dort niedergeschriebenen Gedanken – keine positive Message, kein Ausweg, nur Dunkelheit.“ Ein heftiger Brocken. Aber auch ein verdammt packender Song. „Darkness shall grow upon the saints and all the blessed“, heißt es darin wenig hoffnungsfroh. Doch genau darum geht es ja auf „Glamour & Gloom“. Wir sind nicht ewig hier. Kriegen wir also verdammt noch mal den Arsch hoch und machen was draus!